Beeindruckender Zusammenschnitt: Lange Zeit hat die Bundesregierung eine militärische Lösung des Syrienkonflikts ausgeschlossen. Das hat sich nun geändert.
Und auch auf der offiziellen Webpräsenz der Bundesregierung bleibt die Dialektik weiterhin anklickbar. Einerseits gibt es nun militärische Unterstützung für den Kampfeinsatz eines befreundeten Landes im Ausnahmezustand und andererseits bleibt die Aussage bestehen, dass ein Konflikt wie der in Syrien nur politisch zu lösen sei.
Warum dann aber die militärische Option? Weil ähnliche Missionen schon so erfolgreich verlaufen sind? Wohl kaum. Die Bundesregierung begründet ihren Kursschwenk auch damit, dass es ja schon eine militärische Beteiligung Deutschlands im Rahmen eines breiten Anti-Terror-Bündnisses gebe. Schließlich liefere man Waffen an die Kurden im Irak, die gegen den IS kämpfen. Ein Erfolg, behauptet die Regierung. Dabei gilt bis heute: Peschmerga = gute Kurden, PKK = schlechte Kurden/Terroristen. Die Türkei lässt auch schon mal kurdische PKK-Stellungen bombardieren. Was ist das eigentlich für ein Bündnis und gegen wen ist es gerichtet?
Gegen den Terrorismus, sagt der Außenminister. Der IS exportiere den Terror nach Europa, so Steinmeier. Doch das ist falsch. Die Terroristen stammen aus den Pariser Vorstädten und aus Brüssel. Sie waren den Sicherheitsbehörden sogar bekannt und sie haben ihre Absichten auch noch angekündigt. Da muss sich das vorratsdatenspeichernde und kriegsbereite Europa schon selbst die Frage stellen, was Zuhause eigentlich schief gelaufen ist, wenn es für junge Menschen attraktiver erscheint, Terrorist zu werden. Und dann gibt es da noch den Verbündeten Erdogan, der die kämpfenden Terrorazubis immer wieder ein- und ausreisen lässt und mit dem IS zudem seine Öl-Geschäfte macht.
Auch ist die Dauer des neuen Kampfes völlig ungeklärt. Wie lange soll denn das Militär mit seinen Bomben eine politische Lösung begleiten dürfen? Die Regierung schweigt dazu. Dafür hat der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes schon mal eine Hausnummer genannt. Mehr als zehn Jahre. Denn der IS operiert nicht nur in Syrien und im Irak, sondern auch in Nordafrika und Mali. Wie im Fall Afghanistan, wo das Abenteuer Auslandseinsatz ja nun auch weiter gehen soll, wird der Bundestag der Verlängerung eines weiteren Mandats zustimmen, bis auch dieser Kampfeinsatz irgendwie zur Routine geworden ist.
Und: Bloß nicht zu lange darüber nachdenken. Denn mit dem Nachdenken kommen womöglich Fragen, wie: Was ist mit dem Völkerrecht? Was ist mit Russland und den syrischen Truppen? Sind das nun Verbündete oder Gegner? Mit den Antworten kommt womöglich Wissen und mit dem Wissen wächst der Zweifel. Deshalb soll der Bundestag schon am Freitag über einen Vorschlag des Kabinetts abstimmen, der weder eine konkrete Planung noch Ziele, noch einen absehbaren Zeithorizont benennt. Die Bundesregierung beruft sich lediglich auf Beistandspflichten aus dem EU-Vertrag, missachtet aber die Tatsache, dass das um Beistand ersuchende Land Frankreich gar nicht von außen angegriffen wurde.
Weil aber nicht Vernunft, sondern mal wieder die uneingeschränkte Solidarität herrscht („Frankreich und Deutschland gehen Seite an Seite durch diese schweren Zeiten“), nehmen die militärischen Einsätze in fremden Ländern weiter zu. Hier ein Überblick, der nach dieser Woche korrigiert werden muss. Derzeit sind über 3000 deutsche Soldaten im Auslandseinsatz. Mit dem „Kampf gegen den IS“ sollen noch einmal bis zu 1200 Soldaten hinzukommen. Das entspreche dann also einer Aufstockung um 40 Prozent. Und das, obwohl es ja immer noch heißt, eine militärische Lösung kann es nicht geben. Das ist dann auch kein Puzzlestück, mehr, wie einige Abgeordnete verharmlosend meinen, sondern ein dicker Kriegsbrocken, dem ein deutsches Parlament eigentlich nicht zustimmen darf.
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Ergänzung: Unter Punkt 7 des Regierungsentwurfs heißt es:
Einsatzgebiet
Der Einsatz deutscher Streitkräfte erfolgt vorrangig im und über dem Operationsgebiet der Terrororganisation IS in Syrien sowie auf dem Territorialgebiet von Staaten, von denen eine Genehmigung der jeweiligen Regierung vorliegt, sowie im Seegebiet östliches Mittelmeer, Persischer Golf, Rotes Meer und angrenzende Seegebiete.
Naive Frage: Liegt der Bundesregierung eigentlich eine Genehmigung der Regierung in Damaskus vor, über dem syrischen Staatsgebiet militärisch operieren zu dürfen?
DEZ
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.