Bedenklich sind die Nachrichten aus Syrien vom heutigen Tag. In dem Bürgerkriegsland kämpfen nicht nur viele verschiedene Gruppen am Boden um Territorien und Einfluss, sondern auch in der Luft kreisen Flugzeuge verschiedener Nationen umher und werfen Bomben dort ab, wo sie denken, das es nötig ist. Nun kam es so, wie es kommen musste. Das NATO-Land Türkei schießt ein russisches Militärflugzeug ab.
Das sagen die Beteiligten:
- Russischer Jet hat türk. Luftraum verletzt.
- Besatzung des Kampfjets wurde mehrfach gewarnt.
- Abschuss erfolgte durch türkische F-16 Kampfjets.
- Russischer Jet hat türk. Luftraum nicht verletzt.
- Das Vorliegen einer Warnung wird derzeit weder bestätigt noch dementiert.
- Abschuss erfolgte vom Boden aus.
Analyse (natürlich nicht frei von Verschwörungstheorie):
a. Wirkungsthese: Es war eine Provokation durch Moskau, um zu testen, wie weit die Türkei gehen würde. Nun kann Moskau das NATO-Land als Partner von Terroristen bezichtigen und gleichzeitig das eigene Tun verschleiern, welches ja hauptsächlich gegen Oppositionsgruppen (Nicht IS) gerichtet ist. Dagegen spricht allerdings die sich abzeichnende Allianz zwischen Russland und Frankreich, die den gemeinsamen Kampf gegen den Terror zur Grundlage hat, verbunden mit einer Entspannung in den Beziehungen zwischen Moskau und Westeuropa.
b. Allianzthese: Die Amerikaner haben kein Interesse an einer Entspannung zwischen Moskau und Westeuropa. Sie verweigern sich einem Kompromiss in der Syrienfrage. Wenn sich aber Westeuropa und Russland auf ein gemeinsames Vorgehen und einen gemeinsamen Feind verständigen, Assad ausklammern oder als Teil der Lösung betrachten, wären die Amerikaner düpiert. Eine Weltmacht, deren Stimme nichts mehr zählt? Das bedeutet wiederum, das jede Eskalation den eigenen Bündnisinteressen nützt. Insofern käme der Vorfall sehr gelegen.
c. Vorwandthese: Die Türkei verfolgt ganz eigene Interessen im Krisengebiet. Diese decken sich mit keiner der anderen am Krieg beteiligten Parteien. Ankara unterstützt eine oppositionelle Minderheit (Turkmenen) im Nordwesten Syriens und hat was gegen die Kurden im Nordosten. Mit dem IS scheint die Türkei sogar geschäftliche Beziehungen zu unterhalten. Den Russen wirft Ankara vor, unter dem Vorwand des Antiterrorkampfes Luftangriffe auf Dörfer der Turkmenen zu fliegen, mit dem Ziel, das Assad-Regime in dieser Region zu stützen. Möglicherweise erschien die Gelegenheit für das Land mit dem mächtigen NATO-Bündnis im Rücken günstig, um das Flugzeug abzuschießen. Als Strafe sozusagen.
d. Blackout-These: Alles war mal wieder ein Versehen. Da die Türkei sagt, das Flugzeug war drin und die Russen sagen, der Jet war draußen, sollte auch an den Luftraumgrenzen über die Einführung einer effizienten Torlinientechnik nachgedacht werden, um zumindest Klarheit darüber zu schaffen, über welche These es sich lohnt, eingehender nachzudenken.
Es geht natürlich auch ganz einfach, wie e. Die Bild-These zeigt:
NOV
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.