Große Koalition ist sich einig

Geschrieben von: am 02. Nov 2015 um 8:17

Die große Koalition, die große Probleme löst? Spätestens nach diesem Wochenende dürfte auch dem letzten klar sein, dass diese Annahme nicht stimmt. Doch stimmt auch nicht, was viele Medien nun behaupten. Nämlich dass die streitenden Parteien in der Flüchtlingsfrage mehr trennt als vereint. Das Gegenteil ist richtig.

Sie sind sich einig darin, dass Deutschland eine Belastungsgrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen erreicht habe. Sie sind sich einig darin, dass Asylrecht zu verschärfen, was ja bereits geschehen ist. Und sie sind sich einig darin, Lager einzurichten, in denen Flüchtlinge registriert und Asylanträge auf Grundlage des neuen Rechts geprüft werden sollen. Wer sich nicht in diese Lager begibt, muss mit Leistungskürzungen rechnen, wieder eine Einigkeit.

Einig sind sie sich auch über eine Sicherung der EU-Außengrenzen, um den Flüchtlingszustrom irgendwie einzudämmen. Einig sind sie sich auch darüber, den Familienzuzug einzuschränken. Beides wird nur dazu führen, dass sich noch mehr Menschen auf die gefährliche Reise nach Europa begeben werden, wie übrigens auch die Einigkeit innerhalb der Großen Koalition, weiter Waffen in Krisengebiete zu liefern.

Die Große Koalition ist sich einig, wie vom Volk bestellt. Diese grundsätzliche Einigkeit löst nur keines der vorhandenen Probleme, das wissen die beteiligten Parteien. Deshalb führen sie einen künstlichen Streit über die Namensgebung von Lagern auf und ziehen diesen weiter in die Länge, um von der Grundeinigkeit, die erst in die Sackgasse geführt hat und von der keiner lassen will, weiter abzulenken.

Nützliche Idioten

Nun geht es darum, dass Scheitern der Asylpolitik sowie das Scheitern der Außen- und Innenpolitik irgendeinem nützlichen Idioten in die Schuhe zu schieben. Das sind wahlweise Schlepper, Österreicher oder die EU. Auch da ist sich die Große Koalition bislang einig. Was die SPD aber immer noch nicht kapiert hat, ist, dass sie ebenfalls in die Reihe der nützlichen Idioten gehört, der man ein paar Backpfeifen verpasst, wenn es für Merkel einmal eng wird.

Vom Seehofer-Ultimatum spricht schon niemand mehr, da sich die Union intern auf ein Positionspapier geeinigt hat. Wie überraschend. Was wird die SPD nun tun? Ablehnen geht ja nicht, weil das Courage und die Bereitschaft zum Neuanfang voraussetzen würde. Also wird Gabriel seine Partei vermutlich wieder an die „staatspolitische Verantwortung“ erinnern und zähneknirschend mit ein paar kosmetischen Korrekturen zustimmen. Die Grundeinigkeit ist ja wie oben ausgeführt, längst da.

Er kann ja zusätzlich den Parteikonvent einberufen oder wieder die Mitglieder befragen, um den Anschein von Sozialdemokratie zu wahren und seine Stellung als großer Arbeiterführer zu festigen. Den Flüchtlingen nützt dieses politische Trauerspiel um die verdeckte Einigkeit freilich am wenigsten. Sie müssen sich nicht nur mit dem Lagergedanken und verschärften Asylregeln abfinden, sondern sich zusätzlich auch einem Verteilungskampf stellen, den die Große Koalition mit ihrem Festhalten an der Schwarzen Null heraufbeschwört. Auch darin sind sich die Regierungsparteien nämlich einig. Die Reichen werden nicht zur Kasse gebeten.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Gudrun Tümler-Bootz  November 2, 2015

    Man sollte aber auch nicht vergessen, zu erwähnen, dass auch die Flüchtlinge, die hierher kommen, zumeist einer Mittelschicht angehören. Die Armen dort in diesen Ländern können sich nämlich eine Flucht gar nicht leisten, die müssen dort weiter in Kriegsgebieten ausharren.