Resignation stellt sich bei den sogenannten Wirtschaftsfachleuten und Kommentatoren ein. Wieder keine Zinswende von Seiten der EZB. Draghi hält auch weiterhin an der lockeren Geldpolitik fest, will diese sogar noch ausweiten, wie er am Donnerstag verkündete. Er kann ja auch gar nichts anderes tun, die Wirtschaftsfachleute hingegen schon.
Die könnten zum Beispiel mal damit anfangen, aufzuklären und die Krisenursachen zu benennen. Stattdessen liest man von einer Lage, die so ist, wie sie ist. Die Firmen glauben halt nicht an eine steigende Nachfrage, Punkt. Dafür kaufen die Verbraucher angeblich mehr, weil die Spritpreise so niedrig sind. Ändert nur nichts, denn an der offensichtlich lahmenden Konjunktur kommt auch der Fachmann nicht vorbei. Viele, so der Experte, könnten einfach nicht verstehen, warum es unbedingt einer Inflation bedarf, um Geldwertstabilität zu erreichen. Und die niedrigen Zinsen, mit denen irgendwann Inflation gelingen soll, führten ja nur dazu, die Wettgeschäfte an den Börsen zu befeuern.
Damit zeigt der Fachmann, dass er nichts von seinem oder dem anderen Geschäft versteht. Finanzjongleuren ist es nämlich relativ egal, ob der Zentralbankzins bei 0 oder 2 Prozent liegt. Wenn die Wetten an den Finanzmärkten traumhafte Renditen im zweistelligen Bereich versprechen, dann lohnt sich das so oder so. Nicht lohnen würde es sich, wenn der Staat eine Grenze zöge, in dem er etwa die Umsätze auf dem Parkett besteuerte, wie er es auch bei Umsätzen in der Realwirtschaft tut oder aber das Finanzkasino gleich ganz schlösse, weil er erkannt hat, das dieser Betrieb nur Schaden verursacht. Erst dann wäre auch Schluss mit der zügellosen Wetterei.
Nichts Neues aus Entenhausen
Aber darauf kommt der Wirtschaftsfachmann nicht. Er drischt lieber auf Draghi ein, weil, ja weil es irgendwie alle tun. Er fragt sich dann auch, ob es überhaupt sinnvoll ist, eine Inflation zu haben. Null ist doch stabil, sagt er sich und hält das krampfhafte Ansinnen der EZB, Inflation zu generieren, für irgendwie komisch. Dieser Trend zum geistigen Offenbarungseid hat spätestens dann begonnen sich durchzusetzen, als der mutmaßlich klügste Ökonom Deutschlands verkündete, die Zielinflationsmarke von zwei Prozent habe die EZB ja nur erfunden, sie stünde nicht in den Verträgen der EU.
Da steht nur etwas von Preisstabilität. Richtig. Doch warum soll Null stabiler sein als Zwei? Die Null stabilisiert in Wirklichkeit nur das Vermögen derer, die nichts damit tun. Also die Dagobert Ducks, die täglich in ihren Geldspeicher gehen, um sich am Anblick ihrer Münzen zu erfreuen. Volkswirtschaftlich betrachtet, ist der Geldspeicher oder aber das Horten von Geld katastrophal. Die Wirtschaft ist gelähmt, entwickelt sich nicht weiter, die Arbeitslosigkeit steigt. Das erleben wir im Augenblick.
Die Zwei hingegen bestraft diejenigen, die nur horten mit einer Entwertung ihres Vermögens. Belohnt werden hingegen diejenigen, die bereit sind, sich als Unternehmer zu betätigen, ein Risiko eingehen, sich verschulden und damit in die Wirtschaft investieren. In normalen Zeiten übersteigt die Rendite aus dem Investment die Kosten für den Kredit. Eine Inflationsrate von zwei Prozent ist also kein Problem, sondern nützlich, damit die Wirtschaft vernünftig funktioniert. In unnormalen Zeiten aber fehlt die Nachfrage und ein Investment erscheint wenig lukrativ. Der Unternehmer wird wieder zu Dagobert Duck und hält seine Münzen lieber beisammen.
Das böse K-Wort
Mit fallenden oder gar keinen Zinsen versucht die Zentralbank nun auf unkonventionelle Weise ihn zu ködern, was scheitern muss, da ja weiterhin die Nachfrage fehlt. Ist es nun klug, die Zinsen einfach zu erhöhen? Was wäre damit gewonnen? Wird die reiche Ente etwa mehr investieren oder einen Kredit aufnehmen, wenn die Kosten teurer, aber die Nachfrage genauso beschissen bleibt? Das kann der Wirtschaftsfachmann doch nicht wirklich ernst meinen. Wieso fragt sich der Fachmann dann nicht, wie es gelingen kann, die Nachfrage auf andere Weise zu stimulieren?
Der Zentralbankchef hat diesbezüglich mal – ein Jahr ist das her – einen vorsichtigen Hinweis gegeben, den der Wirtschaftsfachmann offenbar überlesen hat. Draghi forderte damals eine Lockerung der staatlichen Sparkurse und mehr Investitionen der Regierungen in die Realwirtschaft, kurz: Konjunkturprogramme. Das fand unter anderem Kanzlerin Angela Merkel damals so schrecklich, dass sie unter Umgehung der für heilig erachteten Unabhängigkeit der Zentralbank zum Telefonhörer griff und Draghi zur Rede stellte. Seitdem hält Draghi, was das böse K-Wort anbelangt, die Klappe und redet wie Merkel und Schäuble lieber von Strukturreformen.
Denn hierzulande hat die Null nun einmal Konjunktur und nicht die Konjunktur der Wirtschaft. Letztere darf nicht auf Kosten der Schwarzen Null erkauft werden. Darunter hätten ja die künftigen Generationen in Form von Schulden zu leiden, merkt der Sachverstand vortäuschende Wirtschaftsfachmann an. Doch auch das ist Blödsinn, wenn man sich klarmacht, dass nicht nur Schulden, sondern auch die Vermögen an die nächste Generation weitergegeben werden.
Was der angebliche Wirtschaftsfachmann beherzigen sollte, hat Heiner Flassbeck auf seinem Blog heute so formuliert:
Liebe deutschsprachige Ökonomen! Es nutzt nichts, sich gegen unorthodoxe Maßnahmen zu stellen, bloß weil sie unorthodox sind. Man muss sich vielmehr ernsthaft fragen, wie das Unorthodoxe in die Welt gekommen ist. Sollte einem dabei auffallen, dass man selbst dazu beigetragen hat, ist es die beste Strategie, einfach zu schweigen. Diejenigen, die versuchen, die Kohlen aus dem Feuer zu holen, finden es gar nicht lustig, wenn die, die das Feuer gelegt haben, ihnen fachmännische Ratschläge erteilen.
OKT
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.