Die Finanzminister der Länder und natürlich ihr großes Vorbild im Bund, Wolfgang Schäuble, spitzen den Rotstift. Die Ausgaben für Asylbewerber und Flüchtlinge sprengen jedes Budget. Die ersten Kassenwarte rufen daher bereits: „Alles muss auf den Prüfstand.“ Nur die bekloppte Schuldenbremse steht nicht drauf.
Das Bundesfinanzministerium hat einen Bericht des Spiegel zurückgewiesen, wonach der Bund im Jahr 2016 die schwarze Null nicht halten könne. Klar, das wäre auch eine Katastrophe. Weniger schlimm scheint es dagegen zu sein, für die schwarze Null auf die dritte Kraft in Kinderkrippen zu verzichten oder auf eine verbesserte Betreuung in den Schulen beim Thema Inklusion. Das kündigt beispielsweise der niedersächsische Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD) angesichts der explodierenden Kosten an.
Für ihn, wie für viele seiner Kollegen auch, zählt nur ein Ziel. Der ausgeglichene Haushalt und die Vorgabe, die Schuldenbremse im Jahr 2020 einzuhalten. Er sagt, seine Regierung müsse wegen der Flüchtlingskrise mit den Finanzplanungen von vorne beginnen. Schneider spricht sogar von einer Zeitenwende in der Finanzpolitik. Doch das ist Unsinn, so lange borniert an der Schuldenbremse festgehalten wird.
Die Schuldenbremse schreibt ja gerade eine Zeit der falschen Entscheidungen fest. Nix Wende. Wer kürzt und dabei das Notwendige plötzlich in die Kategorie wünschbar verschiebt, betreibt das bekannte Nullen-Geschäft. Nicht die Flüchtlingskrise zwingt zum Sparen, sondern die Ideologie der Schuldenbremse. Beides, die Ideologie und die Schuldenbremse müssen daher weg.
Doch statt sich das nötige Geld für alle wichtigen Aufgaben zu besorgen – nie war es günstiger an Geld zu kommen – schüren die Kassenwarte lieber Ängste, heizen Verteilungskämpfe an und riskieren damit, auch die gesellschaftliche Mitte an die rechten Rattenfänger zu verlieren. So nützt das Anbeten der schwarze Null und das Festhalten an der Schuldenbremse am Ende nur dem braunen Mob.
Ergänzung, 20.10.2015: Einen Tag nach dem Interview mit Finanzminister Schneider schlagen die Wellen hoch, schreibt die HAZ. Es gibt einige Klarstellungen. Im Bildungsbereich werde selbstverständlich nicht gekürzt, heißt es von rot-grüner Seite.
Im Übrigen sei der Finanzminister Schneider von der HAZ falsch zitiert worden. Nun heißt es im Blatt:
Schneider hatte im HAZ-Interview von einer „Zeitenwende in der Finanzpolitik gesprochen“. Statt einer halben Milliarde Euro werde man 2016 eher das Doppelte für Flüchtlinge und Asylbewerber einplanen müssen. Dies erfordere Einschnitte, skizzierte der Minister. „Wünschbare Verbesserungen im frühkindlichen Bereich, die über bereits realisierte Maßnahmen wie zum Beispiel die dritte Kraft in den Krippen hinausgehen, werden also schwer zu verwirklichen sein“, erklärte der Minister gestern. Damit stellte Schneider klar, dass die finanziellen Mittel für die dritte Krippen-Kraft, anders als gestern in dieser Zeitung vermeldet, im kommenden Jahr gesichert seien. Der Ausweg in eine erhöhte Verschuldung sei der falsche Weg.
Wortklauberei: Konkrete Kürzungen will natürlich niemand benennen, um bei aufziehendem Zorn gewappnet zu sein. Man möchte lieber mit abstrakten wie falschen Logiken allgemeine Zustimmung ernten. Doch bleibt die bornierte Einstellung, dass es eine Erhöhung der Verschuldung nicht geben dürfe. Das sei halt der falsche Weg. So steht es in der neoliberalen Bibel.
OKT.
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.