Putin lässt in Syrien bomben, lauten heute die Schlagzeilen in den Medien. Dazu gibt es Bilder von zerstörten Häusern und die Information, dass die russischen Kampfjets IS-Stellungen mehr oder weniger verschont hätten. Die US-Regierung und Oppositionsgruppen seien davon überzeugt. Putin schmeiße also böse Bomben, weil er ein Verbündeter Assads ist und insgeheim unehrenwerte Ziele verfolgt. Es gibt aber keine guten und bösen Bomben und: Auch Obama lässt in Syrien bomben. Auch Erdogan lässt in Syrien bomben und demnächst Hollande lässt in Syrien bomben.
Warum? Weil irgendwie alle Staatschefs der irrigen Auffassung sind, mit Luftschlägen ließe sich ein Feind am Boden besiegen. Doch sprechen die Erfahrungen aus derartigen Einsätzen in Afghanistan, Libyen und Irak eine andere Sprache. Nun wird gemeldet, dass unter den russischen Luftschlägen zivile Opfer zu beklagen seien, darunter Frauen und Kinder. Um was zu zeigen? Dass Bomben töten oder dass nur Putins Bomben töten? In Wirklichkeit sind 90 Prozent der Opfer von Bombardements unschuldige Zivilisten, egal wer da auf den Abwurfknopf drückt.
Doch der unpersonifizierte Westen wird für seine Bombenpolitik selten kritisiert. Der Westen verfolgt ja die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren wie Putin. Mit Assad reden wir nicht, er ist Teil des Problems, so sah lange Zeit die Haltung des Westens aus. Ihr fielen tausende Menschen zum Opfer und trieb Millionen auf die Flucht. Jetzt, da die Überlebenden vor der eigenen Haustür stehen und um Einlass bitten, ändert der Westen seine Strategie. Plötzlich müsse man doch mit Assad reden. Wer treibt da eigentlich ein böses Spiel?
Übrigens untersucht das US-Verteidigungsministerium laut einem Bericht der New York Times die bisher stattgefundenen eigenen Luftangriffe auf Syrien. Ergebnis: Die Erfolgsmeldungen der US-Militärs sind offenbar geschönt. Auch das ist nichts Neues. Die Amerikaner erfinden Beweise, um Kriege zu rechtfertigen und betreiben eine eigene PR-Abteilung, um diese an der Heimatfront als Erfolg zu verkaufen. Aber Putin ist der Inbegriff des Bösen, weil es ihm gelingt, sich aus seiner Isolation zu befreien.
Er wird inzwischen als listiger Akteur der Weltpolitik beschrieben, um nicht zugeben zu müssen, dass sich der Westen mit seiner Strategie in eine aussichtslose, ja, desaströse Lage manövriert hat. Wenn Putin in Syrien bomben lässt, verschwindet plötzlich auch der Deal, den beide, also Putin und Obama, miteinander geschlossen haben. Eine militärische Übereinkunft, aus der Luft bomben zu lassen. Doch diese Strategie ist zum Scheitern verurteilt, aber nicht weil Putin falsch bombt, sondern weil alle nur bomben wollen.
Siehe dazu auch die treffende Glosse des Postillon: Immer mehr Länder bombardieren Syrien, um Morden endlich zu beenden
OKT
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.