Was für eine Herbstbelebung: Die Arbeitslosenzahlen sinken, die VWs stinken und der Springer Konzern muss Jörg Kachelmann ein Rekordschmerzensgeld zahlen. Das kurbelt die Berufsfälscher von Springer aber mal richtig an. Sie wollen in Berufung gehen: Begründung: „da wir unsere umfassende Berichterstattung über das Strafverfahren gegen Jörg Kachelmann nicht auf diese Weise diskreditiert sehen möchten“. Das ist interessant. Denn in einem anderen Verfahren, an dem der Springer-Konzern diesmal als Kläger beteiligt ist, dient der Journalismus offenbar nur als Mittel zum Zweck.
- Axel Springer sieht Journalismus nur als Vehikel für Werbung
Der Werbeblocker Adblock Plus hat einen weiteren Prozess gegen Medien gewonnen. In dem Verfahren vertrat der Verlag Axel Springer eine sehr ehrliche Auffassung, wozu ihm Journalismus dient und was er von Adblock-Nutzern hält. […]
Nach Angaben von Eyo erklärte die Springer-Anwälte dem Gericht in einem Schriftsatz: „Das Kerngeschäft der Klägerin ist die Vermarktung von Werbung. Journalistische Inhalte sind das Vehikel, um die Aufmerksamkeit des Publikums für die werblichen Inhalte zu erreichen.“ Für den Schutz dieses Kerngeschäfts habe der Verlag im Verfahren gerichtliche Hilfe gesucht und gefordert, es solle keinem Produkt erlaubt sein, Werbeanzeigen im Internet zu blockieren. Damit wandten sich die Springer-Anwälte explizit gegen eine Entscheidung des Landgerichts Hamburgs. Dieses hatte im April 2015 darauf verwiesen, dass Werbeblocker nicht das Kerngeschäft von Medien, die Vermittlung journalistischer Inhalte, beeinträchtigten.
Quelle: golem.de
Das mit dem Journalismus ist in diesem Fall also gar nicht so ernst gemeint. Dennoch möchte Springer in Sachen Kachelmann-Entschädigung in Berufung gehen, um die eigene Berichterstattung in ein anderes, günstigeres, Licht zu rücken. Das ist wohl eine spezielle Springer-Dialektik, die nur Bild-Leser verstehen. Ach übrigens noch das hier:
#Kachelmann bekommt von #Springer Rekord-Schmerzensgeld. Alle anderen kriegen morgen eine Gratis-BILD ins Haus. Miese Welt. #BildindieTonne
— extra3 (@extra3) 30. September 2015
Zum Thema Gratis-Bild haben sich die Kollegen vom BILDblog unterstützenswerte Gedanken gemacht. Für jede in den Müll geworfene Gratis-BILD besorgt der Blog ein Deutsch-Lernheft für Asylbewerber. #BILDindieTonne lautet die Aktion.
Für die Tonne
Für die Tonne ist offenbar auch die Dissertation von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Die Gutachter der Medizinischen Hochschule haben das Anfang der 1990er Jahre offenbar nicht erkannt, obwohl die Arbeit nur etwas mehr als 60 Seiten umfasst. Seit August soll die Hochschule die Arbeit selbst überprüfen. Ergebnisse gibt es bislang nicht. Woran liegt’s? Vielleicht daran, dass Ursula von der Leyen und ihr Mann Heiko eng mit der Hochschule verbunden sind und dort Posten bekleiden? Der Stern schreibt in diese Richtung und ruft den Begriff „Maschsee-Connection“ in Erinnerung.
Die Politikfreunde aus der CDU können hingegen die Aufregung nicht verstehen. Sie geben ihrer Kollegin „Resolute Support“. Thomas Strobl („Der Grieche hat jetzt lang genug genervt“) meint zum Beispiel: „Die Menschen interessiert, wie wir aktuelle Probleme lösen und Herausforderungen angehen. Im Moment steht anderes im Mittelpunkt als irgendwelche Plagiatsvorwürfe.“ Also: VroniPlag hat lang genug genervt. Nicht die Dissertation der Ministerin sei besorgniserregend, sondern die Lage in Afghanistan.
Die Taliban nutzen nämlich die allgemeine Herbstbelebung am Hindukusch aus und erobern Städte zurück, die die Bundeswehr/NATO 14 Jahre lang stabilisiert hat. So steht es jedenfalls in den Rechtfertigungsberichten, nein im Fortschrittsbericht, den wir laut Bundes-Seibert alle mal lesen sollen. Der Einsatz war nicht sinnlos. Es gebe halt Licht und Schatten. Angesichts der Sicherheitslage fordert die Bundesverteidigungsministerin deshalb auch, den Abzug aus Afghanistan nicht zu überstürzen.
Die Lage müsse genau analysiert und geprüft werden. Starre Zeitlinien dürfe es ohnehin nicht geben, so die Ministerin. Toll. Das ist wohl die sprichwörtliche Führung aus der Mitte, die von der Leyen im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz angekündigt hatte und im Grunde eine lasche Betrachtung der Wirklichkeit fordert, die mit immer mehr militärischem Engagement zementiert werden soll, ohne das Volk oder dessen Vertreter im Parlament um Erlaubnis zu fragen.
Man muss sich das mal vorstellen, Putin fragt seinen Förderationsrat, ob er das Militär im Ausland einsetzen darf und prompt schlagzeilt BILD „Jetzt bombt Putin für Assad“. In Deutschland darf die Bundesregierung in eiligen Fällen Krieg im Ausland führen, ohne den Bundestag zu beteiligen. „Bei Gefahr im Verzug ist die Bundesregierung ausnahmsweise berechtigt, den Einsatz vorläufig alleine zu beschließen“, heißt es in einem kürzlich gefällten Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Die Zustimmung kann aber nachträglich eingeholt werden, scherzen die Richter.
Wenn das mal nicht für die Tonne ist.
SEP
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.