Die Wähler in Griechenland haben gestern Syriza erneut zur stärksten Fraktion im Parlament gemacht. Doch gewonnen hat die Troika, die nicht zur Wahl stand, aber ab Oktober unbeirrt weiterregieren darf. Klar daneben lagen einmal mehr die Umfrageinstitute, die ein enges Rennen vorausgesagt hatten. Tsipras wird die Koalition aus Syriza und Anel aber fortsetzen.
Alles bleibt beim Alten. Denn aus Sicht der Gläubiger spielt das Ergebnis auf dem Tableau keine Rolle. Die neue Regierung müsse das umsetzen, was vereinbart worden ist, hat die Bundesregierung vor der Wahl noch einmal betont.
Tsipras hat seinen Wählern ein „sanfteres“ Sparprogramm versprochen. Spielraum für neue Verhandlungen sehen die Gläubiger aber nicht. Athen müsse die Reformauflagen einhalten und weiter sparen, stellte Eurogruppenchef Dijsselbloem vor der Wahl unmissverständlich klar.
Er selbst sieht es als Finanzminister in seinem Land mit dem Sparen nun nicht mehr so eng. In der letzten Woche läutete Dijsselbloem das Ende der Sparpolitik ein, da die Niederlande immer wieder in die Rezession rutschten.
Belehrungen statt Hilfe
Der Erfolg für Tsipras wird den Griechen vermutlich nicht helfen. Denn ab heute ist wieder Athen-Bashing angesagt. Nach den Glückwünschen wird eine Welle voller Belehrungen aus Berlin und Brüssel über Athen hereinbrechen und auch die Bild-Zeitung hat den Hetz-Modus schon wieder eingeschaltet.
Dabei hatten einige deutsche Politiker offensichtlich eine schwierige Regierungsbildung erwartet und sich deshalb Reaktionen nach dem Muster, Tempo machen zurecht gelegt. Doch eine Verzögerung wird es nicht geben, wie Tsipras noch vor Bekanntgabe eines Endergebnisses verkündete.
I’d like to thank @PanosKammenos – we’ll be uniting forces again, to continue the work that we started in January #GreekElections #Greece
— Alexis Tsipras (@tsipras_eu) 20. September 2015
Die belehrenden Reaktionen zeigen den mangelnden Respekt vor demokratischen Entscheidungen. Während sich hierzulande kaum ein Politiker zu einer Koalitionsaussage in der Wahlnacht hinreißen lässt, sondern immer erst das Ergebnis in aller Ruhe analysieren möchte, gelten solche Regeln für Griechenland natürlich nicht.
Gründe gesucht
Wenn alle eine zügige Regierungsbildung einfordern, bedeutet das in Wirklichkeit wohl das Gegenteil. Die Gläubigerseite sucht offenbar Gründe, um das vereinbarte Kreditprogramm scheitern zu lassen. Eine Verzögerung käme da wie gerufen. Bereits vor der Wahl ließen sich „hochrangige EU-Diplomaten“ in dieser Richtung zitieren.
Das Programm wird in jedem Fall scheitern, doch muss der Schuldige klar erkennbar sein. Es darf keinesfalls der Eindruck entstehen, dass die Griechen alles richtig machen und es keinen Grund gibt, die versprochenen Milliardenhilfen zurückzuhalten. Zum Glück gibt es die Detailverhandlungen, die vermutlich erneut für Diskussionsstoff sorgen werden.
Hinzu kommt die Haltung eines deutschen Finanzministers, der es lieber sähe, wenn Griechenland die Eurozone so schnell wie möglich verlassen würde. Es darf angenommen werden, dass Schäuble auch weiterhin dieses Ziel verfolgt und alles daran setzen wird, die Griechen zu demütigen. Der Deal mit den profitablen Flughäfen, die ausgerechnet von der deutschen Fraport übernommen werden sollen, ist da nur ein weiterer Baustein.
SEP
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.