Koalitionsgipfel: Erwartbares Ergebnis

Geschrieben von: am 07. Sep 2015 um 10:00

Der Koalitionsgipfel von gestern hat das erwartete Ergebnis gebracht. Die Hardliner haben sich durchgesetzt. Hinter der hübschen Zahl von sechs Milliarden Euro, die für die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen bereitgestellt werden soll und die heute als Schlagzeile dient, verschwindet die beabsichtigte Verschärfung und Ausweitung bestehender Regeln beim Umgang mit Asylbewerbern. Die Regierung setzt sogar noch eins drauf und erklärt Länder wie das Kosovo, Albanien oder Montenegro zu sicheren Herkunftsländern, was die Abschiebung von Menschen in katastrophale Verhältnisse weiter erleichtert.

Von der Eröffnung sicherer Fluchtwege war indes keine Rede. Zudem hat sich Bundesinnenminister de Maizière offenbar mit seiner im August aufgestellten Forderung durchgesetzt, zum Sachleistungsprinzip zurückzukehren und den Flüchtlingen kein Geld mehr zu geben. Damals begründete der Minister diesen Vorschlag unter anderem damit, dass ein Flüchtling in Deutschland genauso viel Geld erhalte wie ein Polizist im Kosovo. Ein demagogischer Vergleich.

Unangebrachte Bewunderung

Die gestrige Einigung lenkt auch vom Versagen einer deutschen Behörde ab, die mit einer schwammigen Formulierung zum Dublin-Verfahren Hoffnungen bei Flüchtlingen ausgelöst und eine beschleunigte Migrationsbewegung in Gang gesetzt hatte. Die unklare Sprachregelung hat wiederum Länder wie Ungarn zusätzlich unter Druck gesetzt, aber auch dazu geführt, dass Deutschlands Regierungschefin mal wieder unberechtigterweise als große Menschenfreundin missverstanden wird.

Die Flüchtlinge selber halten Merkel-Plakate in die Kameras und deutsche Medien schreiben devot über eine Flüchtlingskanzlerin, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Eine wohltuende Ausnahme ist da der heutige Kommentar von Maximilian Popp auf Spiegel Online. Er schreibt:

Die Deutschen inszenieren sich in der Flüchtlingskrise als die Guten. Doch die Bundesregierung hat die Misere mitverursacht. Ihre Asylpolitik ist bis heute im Kern egoistisch. […] Nein, Angela Merkel ist keine Flüchtlingskanzlerin. Würde es die Bundesregierung mit ihrer Solidarität für Geflüchtete ernst meinen, dann würde sie eine gerechte, europaweite Verteilung von Asylbewerbern nicht nur fordern, sondern den skeptischen Staaten im Süden und Osten Europas etwas bieten, etwa finanzielle Hilfe. Die Kluft zwischen dem Westen und Osten Europas in der Frage nach einer Flüchtlingsquote ist das Ergebnis politischen Versagens.

Merkel dürfte von der Interpretation einer Leitlinie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ebenso überrascht worden sein, wie die breite Öffentlichkeit. Das kann man dann auch als ein Panne bezeichnen. Aufsichtsbehörde des BAMF ist übrigens das Bundesinnenministerium unter der Regie eines gewissen Thomas de Maizière, der häufig nicht weiß, was eigentlich los ist, egal welchen Ministerposten er gerade besetzt hält.

Aber so ist das eben auch, wenn im Alltag permanent mit instabilen Sprechblasen und Sprachregelungen hantiert wird. Oder aber mit einem Abkommen, das Länder an der EU Außengrenze einfach im Regen stehen lässt, während der Norden neue Vokabeln erfindet und sich über so etwas wie „erkennbare Nichtbleibeperspektiven“ den Kopf zerbricht.

Europa gespalten und einig

Ziel der Bundesregierung ist nach wie vor, Flüchtlinge abzuwehren, das Problem auf andere zu verlagern und ansonsten weiterhin Symptome statt Ursachen zu bekämpfen. Zwar wird allenthalben berichtet, dass das Geschrei der CSU im Vorfeld des Gipfels nur eine untergeordnete Rolle beim Gespräch im Kanzleramt gespielt haben soll, doch bildet genau das die geistige Grundlage des Maßnahmepapiers.

Eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge müsse her. Doch bleibt Europa in dieser Frage gespalten. Verbindliche Quoten wie Deutschland sie fordert, lehnen vor allem die osteuropäischen Staaten, aber auch Länder wie Großbritannien ab. Kein Wunder. Denn warum sollten andere Regierungen Deutschland jetzt einen Gefallen tun und über Fairness diskutieren? War es doch Deutschland, dass mit Dublin III gerade das Gegenteil von Solidarität in europäische Gesetzesform gießen ließ.

Bleibt nur die Einigkeit hinsichtlich mehr Abschreckung, auch mit militärischen Mitteln. Fluchthelfern soll im Mittelmeer verstärkt das Handwerk gelegt werden. Die Bundeswehr soll demnächst auch scharf auf Schleuser schießen dürfen. Außen- und Verteidigungsministerium arbeiten in enger Abstimmung mit der EU bereits an einer entsprechenden Vorlage für den Bundestag. Der soll den bewaffneten Kampfeinsatz deutscher Soldaten im Rahmen der EU-Militäroperation EUNAVFOR MED genehmigen. Mehr zum Krieg gegen Flüchtlinge hier.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. André Tautenhahn  September 7, 2015

    siehe auch: Ulla Jelpke, MdB (Die Linke): Koalitionsgipfel präsentiert Mogelpackung in der Flüchtlingspolitik
    http://www.linksfraktion.de/pressemitteilungen/koalitionsgipfel-praesentiert-mogelpackung-fluechtlingspolitik/