Die SPD rücke immer weiter nach rechts, doch was bringt ihr das? Nichts, schreibt Wolfgang Münchau heute in seiner Kolumne auf Spiegel Online. Und weiter: „Wenn Europas Linke überleben will, muss sie endlich aufhören, mit der neoliberalen Doktrin zu kuscheln.“ Das ist leichter gesagt, als getan. Münchau hat natürlich recht, doch blendet er aus, dass es für eine Abkehr von der neoliberalen Doktrin nicht nur Entschlossenheit, sondern auch Verbündete braucht. Gerade das Beispiel Griechenland hat doch gezeigt, dass eine linke Partei samt Volksentscheid nichts gegen die Falken an der Spitze der Institutionen ausrichten kann. Es bleibt ein Dilemma.
Heribert Prantl hat gestern im Kontext der Flüchtlingspolitik über Europas Heuchler geschrieben und ein Zitat der Geschwister Scholl in Erinnerung gerufen: „Wenn jeder wartet, bis der andere anfängt, wird keiner anfangen!“ Dieser Satz spricht jene an, die etwas ändern könnten. Die deutsche Sozialdemokratie zum Beispiel. Doch sie versagt, zumindest in ihrem Führungszirkel permanent. Sie hat inzwischen eine noch härtere Haltung gegen die europäische Linke eingenommen, als es die Konservativen tun. In der SPD-Führung will keiner mehr etwas verändern, hier wollen alle bloß noch dabei sein.
Das belegt das neue Impulspapier der Partei, das in den Ortsvereinen zurzeit diskutiert wird und Grundlage anstehender Wahlkampagnen sein soll. Eine lesenswerte Analyse des Papiers haben die NachDenkSeiten heute veröffentlicht. Es enthält die Stellungnahme der Vorsitzenden eines SPD Ortsvereins, eine Stimme, auf die gehört werden sollte.
„Das Gefühl, das sich in mir ausbreitete, nachdem ich 25 Seiten „Starke Ideen für Deutschland 2025“ gelesen hatte, war ein anderes: Hier haben Funktionäre der SPD keine Abgrenzung zu den politischen Mitbewerbern formuliert, sondern die Deutungshoheit innerhalb der eigenen Partei an sich gerissen. Wer formuliert, dass man doch auf Parteitagen keine Beschlüsse zu komplexen Sachverhalten verabschieden solle, der weiß nicht mehr oder schlimmer noch, der akzeptiert nicht mehr, dass der Parteitag und die dort versammelten Delegierten der oberste Souverän sind.
Eigene/n Kanzlerkandidat/in oder nicht
Der schlewig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) meinte kürzlich, dass die SPD auf einen eigenen Kanzlerkandidaten verzichten solle.
Er hat als Erster in einem Satz zusammengefasst, was das Impulspapier auf 25 Seiten mit vielen überflüssigen Worten niederschreibt: die SPD hat kein eigenes Profil mehr, sie hat ihren Kompass verloren und wird es sich als Juniorpartnerin der CDU bequem einrichten. Ihre Daseinsberechtigung wird sie von ein wenig Kosmetik an der Merkelschen Politik ableiten. Dazu braucht es in der Tat keinen Kanzlerkandidaten. Und wenn wir an der Stelle weiterdenken, braucht es für ein bisschen Pseudokorrektur nicht nur keinen SPD-Kanzlerkandidaten, sondern auch keine SPD mehr.
Wenn dieses Papier so oder annähernd so auf irgendeinem Perspektivkongress oder gar auf einem Parteitag beschlossen werden sollte, dann können die Totengräber der SPD schon mal ihre Schippen auspacken.“
SEP
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.