Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag verkündet, die lockere Geldpolitik fortsetzen zu wollen. Das rief prompt Kritik hervor. Der ehemalige Bundesbankchef Axel Weber meldete sich aus der Schweiz zu Wort und warnte vor den Folgen dieser Politik. Er sagte, die Zentralbank habe der Politik Zeit verschafft, die diese ungenutzt verstreichen ließ. Reformen würden nicht angepackt. Weiterhin an der bisherigen Geldpolitik festzuhalten, sei daher falsch.
Lieber auf Weber hören, findet daher die FAZ und kommentiert wie folgt:
Mehr schadet mehr: […] Also ist es höchste Zeit, über die Diagnose und das Rezept nachzudenken statt die Dosis fragwürdiger Medikamente weiter zu erhöhen. Man sollte besser auf Axel Weber, den Chef des Verwaltungsrats der UBS, hören, anstatt dem EZB-Präsidenten Mario Draghi zu folgen, der schon über eine Ausweitung der Käufe spricht, obwohl gerade mal ein Drittel der Billion ausgegeben wurde. Die EZB kauft Politikern Zeit, die diese nicht nutzen. Je länger es – politisch gewollt – keinen Zinseszins gibt, desto höher klettern die Kosten besonders für Sparer und Mieter. Wer künftig bis 70 für die Rente arbeiten muss, weiß, wo er sich bedanken kann.
Sollte sich der Sparer wirklich bei Draghi dafür bedanken, dass er keine Zinsen auf sein Erspartes mehr bekommt? Auch die Sparkassen und Volksbanken zeigen immer wieder gern auf die EZB, wenn sie ihren Kunden das magere Zinsniveau erklären. Ein Klischee. Sicher, die Zentralbank legt den Leitzins fest, an dem sich alle anderen orientieren, doch tut sie das aus Gründen, die die Politik und ehemalige Bundesbanker wie Axel Weber zu verantworten haben.
Weber hat die Reichen verschont
In die Zeit von Weber fällt der Beginn der Finanzkrise, deren Kommen er ebenso wenig voraussah wie jene Politiker, die er heute fürs Nichtstun kritisiert. Weber hat dem deutschen Lohndumping jahrelang zugesehen und die Schwächung der eigenen Binnenwirtschaft akzeptiert. Er ist mitverantwortlich dafür, dass Deutschland das mit den europäischen Partnern vereinbarte Inflationsziel von annähernd 2 Prozent permanent unterbot und sich damit Wettbewerbsvorteile in der Eurozone erschlich.
Auf dem Höhepunkt der Bankenkrise hat Weber dann auch nicht die Interessen von Sparern vertreten, sondern die der zockenden Banken. Er half dabei mit, die Kosten des teuren Bankenrettungsschirms auf die Schultern der Allgemeinheit zu verladen, statt die Zocker in die Verantwortung zu nehmen. Es ist schon ein starkes Stück, wenn sich Weber heute aus seinem Chefsessel im UBS Verwaltungsrat empor schwingt oder wahlweise zurücklehnt, um den Mahner zu geben.
Im Handelblatt-Interview diese Woche stellt er fest, dass wegen der Geldpolitik der EZB die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher würden. „Geldpolitische Entscheidungen haben eben nicht nur geldpolitische Folgen, sondern unter Umständen auch weitreichende wirtschaftliche und soziale Konsequenzen“, so Weber. Das ist schon starker Tobak angesichts der Verluste, vor denen er, der Ex-Bundesbanker, private Banken und deren Eigentümer bewahrte.
Weber wäre ein Risiko für den Euro
Nun sorgt sich Weber um die private Altersvorsorge des kleinen Mannes. Die sei angesichts der niedrigen Zinsen kaum noch etwas Wert. „Viele Menschen werden es sich gar nicht leisten können, aus der Beschäftigung in die Pensionierung zu gehen. Sie werden länger arbeiten müssen, als sie wollen, weil ihre Pensionssysteme nicht die Erträge liefern, die sie zum Leben brauchen“, so Weber. Heißt: alle müssen länger arbeiten, weil die Politik es versäumt habe, die Zeit für Strukturreformen zu nutzen, die die EZB mit ihrer lockeren Geldpolitik schuf.
Nur wie hätte es unter Weber als Chef der EZB wohl ausgesehen. Im Gespräch war er ja mal. Paul Krugman hat in einem Interview 2010 eine klare Aussage dazu getroffen: „Axel Weber wäre ein Risiko für den Euro“ Warum: Weil Weber Anleihekäufe durch die Zentralbank schon immer ablehnte und Deflationsgefahren konsequent ignorierte. Genau so wie sein Nachfolger im Amt des Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann (übrigens ein Schüler Webers) vertritt Axel Weber ein alberne Minderheitsposition, die in Deutschland regelmäßig bewundert wird, international aber vor allem Kopfschütteln auslöst.
Denn auch Weber meint mit Reformen vor allem eine sparsame Haushaltsführung. Also genau das, was die Sparstarrsinnigen in Berlin tagein tagaus praktizieren und was sich der aktuelle EZB-Präsident Draghi schon gar nicht mehr zu kritisieren wagt. Dabei hat er es schon einmal getan, als er sagte, dass Länder wie Deutschland ihren finanzpolitischen Spielraum ausschöpfen sollten. Doch nichts da. Hierzulande gilt Vorrang für die Schwarze Null, während die Infrastruktur des Landes buchstäblich vom Verfall bedroht ist.
Deutschland muss mehr Schulden machen
Weber hat natürlich auch Recht, wenn er sagt, dass die lockere Geldpolitik der EZB zu Blasen an den Finanzmärkten führt. Nur ist es eben keine Lösung, den Spieß einfach umzudrehen, die Anleihekäufe zu stoppen und die Zinsen zu erhöhen. Das würde die Rezession weiter verschärfen und zu noch mehr Arbeitslosigkeit führen. Die Quote liegt im Euroraum schon bei über zehn Prozent. Norbert Häring schreibt dazu im Handelsblatt: „Die Frage, die Draghi und Weber vermeiden, ist daher zu stellen. Gibt es eine Alternative? Kann die EZB die Wirtschaft ankurbeln, ohne dafür gefährliche Blasen an den Finanz- und Immobilienmärkten aufzupumpen und die schon viel zu hohe Vermögensungleichheit weiter zu vergrößern?“
Ohne eine flankierende Fiskalpolitik, die sich makroökonomisch vernünftig verhält, statt kaufmännisch borniert, wird es nicht gelingen. Natürlich laden niedrige Zinsen zum Schuldenmachen ein. Das ist ja auch deren Zweck. Schön wäre es daher, wenn sich ein Schuldner finde, der etwas Sinnvolles mit dem Geld anzufangen weiß. Doch Staat, private Haushalte und Unternehmen versuchen alle gleichzeitig zu sparen, wollen also kein Geld. Es herrscht Bilanzrezession.
Bleiben nur die riskanten Zockergeschäfte an den Börsen. Um zu verhindern, dass das billige Geld Finanzblasen füllt, muss der Staat es also aufnehmen und etwas Sinnvolles damit tun. Er muss es investieren und beispielsweise seine maroden Brücken und Schulen sanieren. Der Staat muss die Rolle des Schuldners übernehmen und erklären, dass es besser für nachfolgende Generationen ist, ihr statt einer Schwarzen Null, lieber eine intakte Infrastruktur zu übergeben.
SEP
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.