Wir müssen uns wohl damit abfinden, dass die Große Koalition lieber über Religionszugehörigkeiten streiten will, als über alles andere. Nachdem der Heimathorstminister schon seine Meinung kundtun durfte, legte nun noch einmal der CSU-Landesgruppenchef Dobrindt in den Zeitungen der Funke Mediengruppe nach. Ein Zitat belegt dabei besonders, den erbärmlichen Bildungszustand bayerischer Lokalpolitiker, die sich immer noch für Mitglieder einer Volkspartei halten.
Ist es nicht mehr politisch korrekt, wenn man sagt, dass Deutschland ein christliches Land ist und man will, dass das so bleibt? Dem Islam fehlt heute das, was für das Christentum die Aufklärung war – mit all ihren positiven Rückwirkungen auf Glauben, Recht und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Kein islamisches Land auf der ganzen Welt hat eine vergleichbare demokratische Kultur entwickelt, wie wir dies in christlichen Ländern kennen.
Dobrindt bezeichnet Deutschland als ein christliches Land, was, wenn das zutreffen würde, klar gegen die Verfassung verstößt, die den Staat zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet. Deutschland ist kein christliches Land, sondern „ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“, der auf ihm vorangestellten Grundrechten wie Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit, Religionsfreiheit usw. fußt. Das kann man nachlesen, wenn man die Bibel und den CSU-Wertekoran einmal im Nachtschrank belässt und das Grundgesetz zur Hand nimmt.
Aber das ist ja alles schon längst bekannt. Viel bescheuerter ist die Bemerkung, die Aufklärung hätte dem Christentum eine positive Entwicklung beschert. Die Erscheinung Dobrindt beweist doch das Gegenteil. Zunächst einmal muss man festhalten, dass die Aufklärung eindeutig gegen die christlichen Kirchen mit ihrem bis dahin menschenverachtenden Weltbild gerichtet war. Diesen Prozess nennt man Säkularisierung und der hält bis heute an. Er verfolgt das Ziel der Entchristlichung und will konkret die Trennung von Religion und Staat. Der Glaube soll eine Privatsache sein. Und was privat ist, darf ein Volksvertreter wie Dobrindt auch gern für sich behalten.
Kann er das nicht, sollte er lieber Priester werden und sich in der Kirche um die Schäfchen kümmern, die noch nicht davongelaufen sind. Dobrindt kenne ja keine Fluchtbewegungen von christlichen Ländern in muslimische Länder. Er scheint aber auch ganz generell die Fluchtbewegung von Christen zu übersehen, deren Anteil in diesem Land seit Jahren beständig schrumpft. Was Dobrindt denkt oder glaubt, kann dem Rest der Republik im Grunde ziemlich egal sein, ja wenn das Regierungshandeln nicht ständig von diesem Religionsgefasel und dem Wahltermin in Bayern beeinflusst würde.
Der heute-show Moderator Oliver Welke hat dazu jüngst eine sehr richtige Bemerkung gemacht.
Das Dauertheater wird anhalten bis zur Landtagswahl in Bayern.
Die #heuteshow ist online: https://t.co/XS40Q3fo2K pic.twitter.com/B1dbSfd4k0— ZDF heute-show (@heuteshow) 6. April 2018
Kein Interesse an Aufklärung
Übrigens hat Alexander Dobrindt selbst nie ein Interesse an weltlicher Aufklärung gehabt, die vielleicht positiv auf ihn als Bundesverkehrsminister zurückgewirkt hätte. Bei der Aufarbeitung des Dieselskandals sei Dobrindt eben nicht Teil der Lösung, sondern Kern des Problems, hatte der Leiter der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, im vergangenen Jahr gesagt. Dobrindt ist zwar heute nicht mehr Verkehrsminister, doch die Folgen der Betrügereien durch die Automobilkonzerne sind immer noch da. Konkrete Maßnahmen sind aber nicht wirklich in Sicht, vermutlich weil sie als Gotteslästerung in Wolfsburg, München oder Stuttgart verstanden werden könnten.
Auch Dobrindts Nachfolger Andreas Scheuer will sich daher nicht ernsthaft mit diesem Thema beschäftigen, wie aus Berichten über die derzeit stattfindende Regierungsklausur auf Schloss Meseberg hervorgeht. Der Minister setzt wohl auf die Kraft der Schöpfung, statt auf Fortschritt. So kümmert er sich auch lieber um Apps für Mobiltelefone, die die Verbraucher immer dann nutzen sollen, wenn sie sich gerade mal wieder in einem Funkloch befinden. Das klappt bestimmt prima, Sie müssen halt nur ganz fest daran glauben. Was aber sicherlich nie geschehen wird, obwohl es aus Sicht vieler vielleicht wünschenswert wäre, ist ein Funkloch, das sich immer dann aufbaut, wenn ein CSU-Politiker mal wieder das Wort ergreifen will.
APR
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.