Regiert wird mit Rechts

Geschrieben von: am 12. Mrz 2018 um 16:57

Screenshot phoenix, 12.03.2018

Heute ist der Koalitionsvertrag unterschrieben worden, der in etwa genauso viele Seiten hat, wie es bisher Tage ohne eine neue Regierung in Deutschland gibt. Nun kommen CDU, CSU und SPD auch offiziell zueinander. Regiert wird aber eindeutig mit Rechts.


Pläne aus dem Heimatmuseum

Das halbe Jahr Regierungsbildungszeit hat vor allem gezeigt, dass sich die herrschende Politik nicht nur nicht ändern, sondern noch einmal deutlich verschärfen wird, jetzt wo auch die theoretisch mögliche linke Mehrheit im Parlament verschwunden ist. Während die SPD dennoch weiterhin erzählt, mit ihren „Verhandlungserfolgen“ und gewonnenen Schlüsselressorts das Leben der Menschen schon irgendwie verbessern und sozial gerechter machen zu können, setzen die Rechten bereits vor dem offiziellen Start der Zusammenarbeit offenbar zu ihrer angekündigten „konservativen Revolution“ an.

So will der künftige Direktor des Heimatmuseums, Horst Seehofer, umgehend einen Masterplan für schnellere Abschiebungen durchsetzen und Jens Spahn übernimmt als neuer Gesundheitsminister vorab die Rolle des Armutsbeauftragten in der Regierung gleich mit. Kanzlerin Merkel legte in der Bundespressekonferenz (BPK) heute bereits Prioritäten fest. Ordnung und die Steuerung der Zuwanderung seien wichtige Themen. Von der SPD hört man dazu relativ wenig. Na ja nicht ganz. Olaf Scholz liest vom Blatt ab, was man ihm aufgeschrieben hat und der unvermeidliche Ralf Stegner mahnt, die Sozialdemokraten dürften kein „braver Juniorpartner“ sein, sondern müssten von Beginn an ein klares Gegengewicht zur Union bilden.

Kalter Kaffee aus trüben Tassen

Bei dem Koalitionsvertrag und dem Personal ist das allerdings komplett ausgeschlossen. Die Sozialdemokraten mögen zwar angesichts ihrer scheinbaren Machtfülle innerhalb der Bundesregierung selbstbewusst auftreten können, inhaltlich haben sie aber nichts Neues anzubieten. Es interessiert auch keinen angesichts der bestehenden Mehrheitsverhältnisse. Man denkt und handelt konsequent rechts. Mit der trüben Tasse Olaf Scholz im Finanzministerium bleibt die schwarze Null sakrosankt. Das bestätigte der kommissarische SPD-Chef auch heute noch einmal. Diese absurde Haltung, die im Grunde nahtlos an die Politik Wolfgang Schäubles anschließt und sich mit dem deckt, was immer noch eine Zweidrittelmehrheit von rechts bis links im Bundestag für richtig hält, bleibt erschreckend.

Wie will man denn die bestehenden Überschüsse in der Leistungsbilanz, auf die das Defizitland USA zunehmend nicht mehr nur mit Worten, sondern konkreten Maßnahmen reagiert, zukünftig abbauen? Wie will man denn den gigantischen Investitionsstau auflösen, wenn an erster Stelle immer ausgeglichene Haushalte und die Schuldenbremse genannt werden, statt eine funktionierende wie nachhaltige Infrastruktur? Die 45 Milliarden Euro, die im Koalitionsvertrag vereinbart worden sind, klingen nach viel, reichen aber überhaupt nicht aus. Sie sind schließlich nicht an dem bemessen, was mindestens notwendig wäre, sondern ausschließlich an dem, was aus Sicht der Nullenanbeter maximal vertretbar sei, um bloß keine neuen Schulden aufnehmen zu müssen. Und das ist wiederum unfassbar töricht und falsch.

Verfall statt Erneuerung

Dabei ist jedem klar, dass die Beseitigung des fortschreitenden Verfalls, der nicht erst morgen eintritt, sondern heute schon überall zu besichtigen ist, immer teurer wird, solange man Investitionen nur daran ausrichtet, ob sie zur schwarzen Null oder einer Schuldenbremse passen. Wer aber eine funktionierende Daseinsvorsorge will, darf schwarze Nullen, Schuldenbremsen und dazu einen Verzicht auf Steuererhöhungen eben nicht in einen Koalitionsvertrag schreiben. Doch genau das haben Union und SPD wieder getan. Zunehmen wird daher die Armut von Menschen mit geringen und normalen Einkommen, die auf Systeme der Daseinsvorsorge und intakte Infrastruktur deutlich mehr angewiesen sind, als Vermögende, die sich zusätzliche Leistungen einfach kaufen können.

Die Binnennachfrage ist wichtig. Laut GroKo gibt’s da aber nichts zu tun. Auch in der SPD herrscht ja der Irrglaube vor, um den Konsum sei es in Deutschland ganz gut bestellt. In Wirklichkeit will sich aber auch diese Bundesregierung mehr auf die Nachfrage der anderen, sprich des Auslands, verlassen. Eine Vereinbarung oder Initiative, die die Notwendigkeit beschreibt, Löhne und Sozialleistungen deutlich zu erhöhen, sucht man vergebens. Gleichzeitig wird behauptet, dass die Produkte deutscher Hersteller auf dem Weltmarkt vor allem deshalb so erfolgreich seien, weil sie so unglaublich gut sind. Wenn der Preis also keine Rolle spielt, dürften Strafzölle dann ja auch problemlos zu verkraften sein. Das Geschrei der deutschen Freihändler wäre demnach total überflüssig.

Zwischen den Zeiten

Die Bundesregierung bewege sich dank der AfD etwas in die richtige Richtung, sagte Alexander Gauland heute in der Bundespressekonferenz. Was er meinte, ist die Personalie Jens Spahn, der ja nur deshalb zu seinem Posten gekommen sei, weil die AfD so viel Druck ausübe und die Basis in der Union teilweise aufbegehre. Auf Spahn ruhen wohl auch die Hoffnungen der AfD, die so gesehen schon fleißig mitregiert. Auf der anderen Seite behauptete Jörg Meuthen, die Große Koalition befinde sich programmatisch voll auf SPD-Kurs, der irgendwo in den 70ern steckengeblieben sei. Er selber wünsche sich lieber die 50er Jahre mit Ludwig Erhard zurück und meint, die Höhe der Hartz IV-Sätze sei angemessen, wohingegen die steuerliche Belastung noch weiter sinken müsse.

Damit funkt der AfD-Vorsitzende im Grunde auf gleicher Wellenlänge, wie der designierte neue Arbeitsminister Hubertus Heil. Der sagte am Freitag im ZDF, dass es ihm um einen Sozialstaat gehe, auf den sich Menschen wieder verlassen können. Damit ist freilich keine Revision der Agenda 2010 gemeint, sondern das, was er und seine Kollegen unter Erneuerung verstehen. Eine Übersetzung der hohlen Phrasen hat Norbert Häring hier geliefert. Eine Politik für kleine Leute zu machen, traut sich die SPD schon gar nicht mehr zu sagen, weshalb sich der Seehofer einen Spaß daraus macht, die Gabriel-Formulierung von vor vier Jahren wie selbstverständlich zu übernehmen. Ihm muss es ja auch nicht peinlich sein, wenn die neue Bundesregierung künftig über 70 Milliarden Euro in die Rüstung investiert, statt Sozialstaat und Infrastruktur besser auszustatten. Den kleinen Leuten erklären darf das dann wieder die SPD.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Hartmut Schwarz  März 12, 2018

    Sinnbildlich würde ich heute bereits von einer Roten „0“ sprechen wollen.
    Und mit diesen Roten „0“llen werden alleine, vorsätzlich ÖPP’s in Serie, produziert und damit wird die Startposition der neualten GroKo wesentlich deutlicher zur Neoliberalpolitik festgezurrt.
    Da soll es kein Nachdenken mehr geben. Das war bereits vorher abgestimmt.
    Sogesehen war und ist keine sozialdemokratische Politik in absehbarer Zeit mehr zu erwarten.
    Schon gar nicht von der Agenda 2010 SPD.
    Der Trick mit den neuen Gesichtern bei der GroKo ist schon raffiniert…..ojejeje…!