Merkel regiert einfach mal weiter

Geschrieben von: am 29. Sep 2017 um 15:41

War da was am Sonntag? Eine Bundestagswahl vielleicht? Ja richtig. Mächtige Verluste auf Seiten der Großen Koalition und vermutlich eine neue Regierung in Aussicht. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel scheint das kaum zu interessieren. Sie macht weiter wie bisher, nimmt an Gipfelrunden teil und rechnet wohl damit, noch ganz lange geschäftsführend im Amt zu bleiben. Ihr Kanzleramtsminister ließ vorsorglich schon mal verkünden: Eine neue Regierung gibt’s vielleicht erst im nächsten Jahr. Geht’s noch?

Man sieht die Regierung vor lauter Inhalten nicht

Die Liberalen, die sich zu Beginn der Woche noch vor einem Eintritt in die Regierung zierten, wundern sich bereits, dass die Wahlverliererin noch zu keiner ersten Sondierungsrunde eingeladen hat. Da stimmt doch was nicht, denken sich vermutlich auch die Grünen, die ihr Verhandlungsteam als erstes in den Startlöchern hatten. Anrufe und Einladungen gab es aber nur von Talkshows, in denen es so aussah, als würden die Voraussetzungen für eine Koalition öffentlich diskutiert. Inhalte, Inhalte und nochmals Inhalte, wusste jede Seite zu berichten. Was genau damit gemeint ist, bleibt aber eher im Ungefähren, wie das Kanzleramt selbst.

Dessen Chef, Peter Altmaier, kommt auch mit Inhalten. Die seien wichtiger als das Datum der Regierungsbildung, sagt er. Tolle Sache, die Sache mit den Inhalten. Da scheinen sie alle genug von zu haben. Was es aber braucht, ist eine Regierung. Ein angebliches Geheimtreffen zwischen FDP und Grünen, wie die Rheinische Post berichtete, hat nicht stattgefunden, sagt Christian Lindner. Ist aber auch egal. Selbst wenn das Papier, dass die RP-Redaktion bereits als Quelle mehrfach verbreitete ein Fake ist, passen würde es doch sehr. Denn aus ihm geht hervor, dass nicht Inhalte, sondern der künftige Ressortzuschnitt und vor allem die „Gesichtswahrung“ oberste Ziele der beiden kleineren Parteien sind.

Jeder wahrt sein Gesicht so gut er kann

Wäre das etwa so abwegig? Nein. Ein angebliches Geheimtreffen als Beleg braucht es für diese Feststellung nicht, das sieht man auch so oder weiß es aus Erfahrung. Merkel hingegen hat offenbar viel Zeit. Bis ins nächste Jahr. Bis dahin werden Regierungsmitglieder munter hin und her getauscht. Schäuble soll als Bundestagspräsident künftig die Kehrwoche im Parlament einführen, dafür Peter Altmaier in einer weiteren Funktion das Finanzressort verwesen. Gleiches gilt für die neue Opposition, die ja immer noch regiert. Damit Nahles anderen auf die Fresse geben kann, übernimmt Frau Barley neben dem Familienministerium auch noch Arbeit und Soziales. Ist halt alles nur Gedöns, nicht wahr.

Für die Übernahme von Arbeit und Soziales war übrigens laut Geschäftsordnung Hermann Gröhe als Gesundheitsminister vorgesehen. Der ist aber von der CDU und das geht laut GroKo-Regeln nicht, die offenbar weiterhin Gültigkeit besitzen, solange keine andere Regierung im Amt vereidigt ist. Deshalb bleibt wohl auch Verkehrsminister Dobrindt vorerst weiter auf seinem Posten hocken, obwohl er bereits angekündigt hatte, diesen zu verlassen, weil er ja jetzt der Landesgruppe der CSU vorsteht. Jeder wahrt halt sein Gesicht so gut es geht.

Das gilt auch für Thomas Oppermann, den Ex-SPD-Fraktionschef. Bei Lanz quatschte er aus dem Nähkästchen. Für den Fall, dass seine Partei mit einem überragend besseren Ergebnis in der Nähe von 23 Prozent abgeschlossen hätte, wäre die Fortsetzung der Großen Koalition eine sichere Sache gewesen. Er würde weiter Fraktionschef sein oder sogar Minister. Das würde auch erklären, warum Merkel in der Elefantenrunde so irritiert wirkte, als der Bundestagsneuling Martin Schulz Gesprächsangebote brüsk zurückwies. Da hat sie sich vielleicht gedacht, regiere ich einfach mal weiter und gucke, was die anderen so machen.

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Über den Autor:

André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.
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Kommentare

  1. Derweg  September 29, 2017

    Man muss aber auch konstatieren… was bleibt ihr anderes übrig? Bis zur Niedersachsenwahl werden sowieso alle Parteien nur Mikado spielen. Keiner wird derart das Köpfchen rausstrecken, dass es ihm dort zum Nachteil gereicht. Die SPD hat schon gar keinen Grund aufzumucken, denn ihre Zukunft in Niedersachsen sieht alles andere als rosig aus. Von einer höheren Wahlbeteiligung dort, hätten weder SPD noch Grüne etwas zu erwarten. Auf der anderen Seite gilt Althusmann gerade in Sachen VW als nicht vorbelastet, was wohl auch der primäre Grund war, nicht noch einmal McAllister in’s Rennen zu schicken. Mag komisch klingen, aber am Ende werden die Niedersachsen entscheiden wie es in Berlin weitergeht. Wird die Klatsche für die SPD auch dort zu heftig, kann Schulz in Rente gehen und Merkel kann, wenn das Ergebnis stimmt genau so weiter fortfahren wie bisher.

  2. Hartmut Schwarz  September 30, 2017

    Es wundert nicht das die Dame sich so ignorant verhält, schließlich wurde sie vom Wahlvolk abgewatscht. Es ist das schlechteste Wahlergebnis seit 1949, da soll wohl keiner merken, was wirklich in ihr brodelt ! Das steckt auch eine Merkel nicht so einfach weg. Sie verhält sich wie immer und das passt jetzt gar nicht ins Bild. Wie groß muss der Frust wohl sein, wenn Merkel noch einmal bei der SPD, zum Weiterso nachfragt ?
    Die baldige Niedersachsenwahl könnte auch noch eine zusätzliche Belastung für sie darstellen ??