Das Ergebnis der Bundestagswahl entspricht alles in allem den Erwartungen. Die Große Koalition hat eine herbe Niederlage erlitten. CDU, CSU und auch SPD mussten deutliche Verluste hinnehmen und wären zusammengenommen keine Große Koalition mehr. Die befürchteten Automatismen sind ebenfalls schon in Gang gesetzt worden.
Die SPD-Führungsmannschaft zieht erneut die Konsequenz, keine Konsequenzen zu ziehen, sondern mit der gleichen Mannschaft in die Opposition zu gehen. Gesucht wird noch ein Bauernopfer, das man der Basis und der Öffentlichkeit präsentieren kann. Einige Stimmen sagen, dass es Thomas Oppermann treffen wird, der schon bei der Präsentation von Martin Schulz als Kanzlerkandidat seltsam überfahren wirkte.
Der Dauerläufer Martin Schulz will hingegen weitermachen und auch die anstehende Landtagswahl in Niedersachsen für die SPD „gewinnen“. Er sagte, mit dem heutigen Tage ende die Zusammenarbeit mit der Union. Das stimmt leider nicht, da die Regierung so lange geschäftsführend im Amt bleiben muss, bis eine neue vereidigt wird. Schulz hätte die Zusammenarbeit mit der Union viel früher beenden können, als er noch eine eigene Mehrheit im Bundestag und vor allem hohe Zustimmungswerte in den Umfragen hatte. Das tat er aber nicht, es reichte nur zu einer symbolischen Kraftprobe bei der Ehe für alle und das auch nur, weil Mutti es erlaubte.
Wer seine vorhandenen Möglichkeiten nicht nutzt, sondern immer nur erklärt, was mit den „Schwatten“ alles nicht geht, landet zurecht auf dem Abstellgleis. Nach derzeitigem Stand bleibt damit im Bund nur Jamaika als neue Regierungsoption übrig. Die ist aber noch keinesfalls ausgemacht, da Grüne und FDP, die sich aufgrund minimaler und deutlicher Zugewinne als Gewinner fühlen, einige Bedingungen formulieren werden. Theoretisch hätten sie sogar die Chance, Merkel vom Sockel zu stoßen. Zugegeben: Das ist eher unwahrscheinlich, aber Neuwahlen bräuchten die größer werdenden kleineren Parteien wohl weniger zu fürchten als die Union, die dem Abwärtstrend in den Umfragen der letzten Wochen folgend sogar noch deutlicher verloren hat.
Angesichts der herben Verluste auf Seiten der „Volksparteien“ hätte man früher nicht nur gesagt, die Koalition ist abgewählt, sondern man hätte auch die Rücktritte der Spitzenkandidaten vehement verlangt. Bei der CDU wird darüber wie selbstverständlich nicht gesprochen, bei der SPD gibt es die übliche Reise nach Jerusalem. Martin Schulz hatte schon lange vor der Wahl klargestellt, dass er im Amt des Parteivorsitzenden bleiben wolle und spielt in der Berliner Runde bereits den Oppositionsführer, obwohl er vor ein paar Tagen der Kanzlerin noch einen Vizeposten in seiner Regierung angeboten hatte. Den Martin Schulz will die SPD offenbar behalten, vor allem auch wegen der Niedersachsenwahl in drei Wochen, zurücktreten muss also ein anderer, siehe oben.
FDP und Grüne fühlen sich bestätigt. Ihr Spitzenpersonal dürfte fest im Sattel sitzen und die Basis ihnen wohin auch immer folgen. Dazu gibt es Christian Lindner jetzt auch in Farbe, möglicherweise sorgt das ja für Klarheit, um beispielsweise den massiven Rechtsruck zu erkennen, den nicht nur die AfD mit ihrem Einzug ins Parlament verursacht hat. Im kommenden Bundestag streiten künftig sechs neoliberale Parteien miteinander, die sich bei wirtschafts- und sozialpolitischen Themen im Grundsatz einig sind. Die eigentliche Opposition wird somit noch kleiner sein, als vorher. Die Linke hat ihr Ergebnis von vor vier Jahren zwar wieder erreicht, kann damit aber kaum etwas gegen die anderen Fraktionen ausrichten, die künftig miteinander Cowboy und Indianer spielen.
SEP
Über den Autor:
André Tautenhahn (tau), Diplom-Sozialwissenschaftler und Freiberuflicher Journalist. Seit 2015 Teil der NachDenkSeiten-Redaktion (Kürzel: AT) und dort mit anderen Mitarbeitern für die Zusammenstellung der Hinweise des Tages zuständig. Außerdem gehört er zum Redaktionsteam des Oppermann-Verlages in Rodenberg und schreibt für regionale Blätter in Wunstorf, Neustadt am Rübenberge und im Landkreis Schaumburg.