Ökonomischer Analphabetismus II

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Auf WDR5 gibt es das Echo des Tages, das auch auf NDR Info zu hören ist. Als ich vorhin in der Badewanne lag, hörte ich einen Kommentar von Wolfgang Landmesser zu dem europäischen Aktionstag gegen die Kürzungspolitik.

Auch viele der in Brüssel beschlossenen Reformen müssen sein, um die Volkswirtschaften fit zu machen für den globalen Wettbewerb. Das hat weniger mit Neoliberalismus zu tun als mit gesundem Wirtschaftsverstand. In den ersten zehn Jahren der Währungsunion haben die niedrigen Zinsen im Euroraum die strukturellen Schwächen überdeckt. Die Schere der Lohnstückkosten ging immer weiter auseinander zwischen den Ökonomien im Norden und im Süden. Das bedeutet: die Menschen in Portugal oder Spanien verdienten im Vergleich zu viel, um dort zu wettbewerbsfähigen Kosten produzieren zu können. Dadurch hatten es die Unternehmen immer schwerer gegen die internationale Konkurrenz zu bestehen. Während die Importe stiegen, bröckelten die Exporte. Das kann ein Land, das kann eine gemeinsame Währung nicht auf Dauer durchhalten. Deswegen müssen die Länder ihre Arbeitsmärkte und Sozialsysteme an den richtigen Stellen zu reformieren. Dazu gehört aber ganz sicher auch eine stärkere soziale Balance der Antikrisenpolitik. Die Wut der Demonstranten ist verständlich – ob in Athen, Lissabon, Madrid oder Brüssel. Gerade die Höher- und Höchstverdiener sollten ihren Anteil leisten müssen.

Was Landmesser unter einem gesundem Wirtschaftsverstand versteht, ist allenfalls eine Teilwahrheit. Zur ganzen Wahrheit müsste dem Text folgender Absatz hinzugefügt werden:

Viele der in Brüssel beschlossenen Reformen müssen sein, um die Volkswirtschaften fit zu machen für den globalen Wettbewerb. Diese Perspektive hat viel mit Neoliberalismus zu tun, deren Anhänger immer vorgeben, viel gesunden Wirtschaftsverstand zu besitzen. In den ersten zehn Jahren der Währungsunion hätten die niedrigen Zinsen im Euroraum die strukturellen Schwächen überdeckt. Warum ist den Menschen mit dem vermeintlich gesunden Wirtschaftsverstand so etwas erst nach zehn Jahren aufgefallen?

Die Schere der Lohnstückkosten ging immer weiter auseinander zwischen den Ökonomien im Norden und im Süden. Das bedeutet: die Menschen in Deutschland verdienten im Vergleich zu wenig, und haben deshalb zu wettbewerbsfähigen Kosten produzieren können. Dadurch hatten es die Unternehmen immer leicht, gegen die internationale Konkurrenz zu bestehen. Während die Exporte stiegen, bröckelten die Importe. Das kann ein Land, das kann eine gemeinsame Währung nicht auf Dauer durchhalten. Deswegen muss das Land seine Arbeitsmarktpolitik an den richtigen Stellen überdenken und beispielsweise einen Mindestlohn einführen. Dazu gehört aber ganz sicher auch eine stärkere soziale Balance der Antikrisenpolitik. Der Zorn der Demonstranten ist verständlich – ob in Athen, Lissabon, Madrid oder Brüssel. Die Menschen dort haben einfach recht. Gerade die Höher- und Höchstverdiener sollten nicht bloß einen Anteil, sondern die gesamten Kosten, der von ihnen verursachten Krise tragen.

Soviel zum gesunden Wirtschaftsverstand in den Hörfunkanstalten der ARD.

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Ökonomischer Analphabetismus

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Während sich die deutsche Journaille hauptsächlich um den Gemütszustand von Claudia Roth Gedanken macht, fallen punktuell auch Bemerkungen über die Eurokrise. Zwei der dämlichsten will ich mal nennen:

“Nötig sind die schmerzvollen Einschnitte gleichwohl. Sie dienen ja nicht als Selbstzweck, sondern zur Sanierung des portugiesischen Haushalts.“ (Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung)

Das ist in etwa so, als würde man es richtig finden, mit dem Auto vor die Wand zu fahren, damit es zurück in die Spur findet. Sollte es nach dem Crash nicht mehr funktionieren, liegt das aber nicht an dem Aufprall, der zur Zerstörung von Motorraum und Fahrwerk führt, sondern an der geringen Geschwindigkeit, mit der gefahren wurde. Falls die Insassen den ersten Aufprall überlebt haben, wird man ihnen genau das vorwerfen, nachdem man sie für ihre Leidensfähigkeit kurz bewundert hat. Merkel sprach sogar von allergrößter Hochachtung.

“Dass die Kreditgeber ihre Milliardenhilfen an Sparauflagen knüpfen, ist nachvollziehbar.“ (Quelle: Neue Westfälische aus Bielefeld)

Wenn man so einen Scheiß liest, ist nur allzu nachvollziehbar, warum Zeitungen hierzulande Insolvenz anmelden müssen. Das liegt nicht an wegbrechenden Anzeigenkunden, sondern an der erschreckenden Inkompetenz, die durch Sparauflagen in den Redaktionen geradezu inflationär befördert wird. Das Denken wird abgeschafft und durch Sprechblasen ersetzt. Einfachste Zusammenhänge werden nicht mehr verstanden. Es ist doch nicht nachvollziehbar, Kredite an Sparauflagen zu knüpfen, die nachweislich zum Crash ganzer Volkswirtschaften führen und damit das Risiko des Kreditgebers offenkundig erhöhen. Es sei denn, der Kreditgeber wettet an anderer Stelle auf den Ausfall seiner eigenen Forderungen.

Aber die Solvenz des Schuldners, die jeder Gläubiger zwingend braucht, ist gar nicht das Ziel, sondern eine perfide Lust an der Zerstörung oder Unterwerfung anderer.

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